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Im Sommer 2020 hat Canon die EOS R5 und R6 vorgestellt. Und es war das erste Mal, dass sich bei mir seit Einführung des RF-Systems sofort ein echtes Haben-Wollen-Gefühl eingestellt hatte. Die technischen Daten waren einfach beeindruckend und tatsächlich ein Fortschritt gegenüber den verfügbaren und vorhandenen DSLRs. Gerade die R6 hatte es mir angetan. Quasi eine Vereinigung fast aller positiven Eigenschaften meiner damaligen EOS 5D Mark 4 und EOS 7D Mark II, wobei es als Bonus weniger Gewicht bei noch mehr Speed oben drauf gibt. Nach den ersten realen Testberichten, u.a. auch von Leuten die ich persönlich kenne und deren Meinung ich vertraue, war klar das die R6 wohl meine nächste Kamera werden würde. Dank Corona waren die Möglichkeiten sein Geld anderweitig auszugeben ja reduziert. Und als sich vor Weihnachten 2020 dank einer Rabattaktion meines bevorzugten Onlinehändlers AC-Foto die Gelegenheit ergab, den Body samt Batteriegriff und RF-EF-Adapter günstig zu bekommen, habe ich zugeschlagen und mir das Paket unter den Weihnachtsbaum gelegt. Die besten Geschenke plant man ja eh bekanntlich am Besten selber… ;-)

Starker Auftritt

Seitdem ist sie bei mir mehr oder weniger regelmäßig im Einsatz und hat mich auch unter widrigsten Wetterbedingungen nie im Stich gelassen. Und ich habe den Wechsel bisher keinen Moment bereut. Der Leistungssprung, gerade im AF-Bereich mit den modernen Trackingmöglichkeiten incl. Augenerkennung, ist immer noch extrem beeindruckend. So beeindruckend, dass ich meine DSLRs nicht mehr genutzt und relativ zügig verkauft habe. Wenn der AF-Antrieb im Objektiv mitkommt kann man ganze Bildserien schießen, bei denen nicht ein einziges Bild unscharf ist! Und dabei ist es relativ egal, ob sich das Motiv quer zur Kamera oder auf die Kamera zu oder davon weg bewegt. Auch die korrekte Fixierung und das Tracken des gewählten Fokuspunktes unabhängig von der Motivbewegung ist schon sehr cool. Da fallen die restlichen positiven Veränderungen dann garnicht mehr so stark auf:

  • Kein Microadjustement mehr notwendig, da systembedingt nicht möglich.
  • Vorhandene LP-E6-Akkus sind weiterhin nutzbar. Positiv, wenn sich da im Laufe der Jahre bisschen was angesammelt hat.
  • Zusätzliche vorhandene Bedienelemente (Schulter-Einstellrad + Einstellring am RF-EF-Adapter bzw. RF-Objektiven). Persönlich habe ich die ISO-Auswahl auf dem Schulterrad liegen und die Belichtungskorrektur auf dem Objektiv-Einstellring. Damit kann ich alle für mich relevanten Parameter direkt erreichen.
  • Generell sind die relativ frei programmierbaren Belegungen der Eingabeelemente sehr zu begrüßen.
  • Belichtungssimulation im elektronischen Sucher. Wenn man von nem optischen Sucher kommt ist das erst etwas gewöhnungsbedürftig. Man möchte das aber relativ schnell nicht mehr missen.
  • Einblendbare Schärfeindikatoren für MF-Objektive bzw. beim manuelle Fokussieren.
  • USB-C-Anschluss mit PowerDelivery. Neben schneller Datenübertragung kann man darüber auch die Akkus in der Kamera bzw. dem Batteriegriff laden.
  • Verlustbehaftetes cRAW zusätzlich zu RAW. Spart reichlich Speicherplatz, gerade wenn man viel Wildlife schießt oder Zeitraffer aufnimmt. Nach einigen Vergleichstests bin ich dazu übergegangen nur noch cRAW zu nutzen. Ich konnte keine negativen Auswirkungen feststellen. Einige Fotokollegen im Netz, denen ich da auch eine entsprechende Expertise zutraue, kamen zum gleichen Ergebnis.

Wo viel Licht ist, ist aber leider auch Schatten

Einige Punkte nerven mich dann doch:

  • Kein eingebautes GPS. Warum in der Preisklasse die paar Euro für nen GPS-Chip nicht noch drin waren erschließt sich mir nicht. Die Variante via gekoppeltem Smartphone empfinde ich als Krücke und wenig praktikabel. Bevor ich jedes Mal die Kopplung erst wieder aktiviere lasse ich lieber gleich den GPS-Tracker auf dem Smartphone oder der Smartwatch mitlaufen und weise die Trackdaten später dann in Lightroom im Stapel zu. So nebenbei habe ich nicht nur Koordinaten in den Bildern, sondern nen ganzen GPS-Track.
  • Die Position der Kabelauslöser-Buchse ist, sagen wir mal suboptimal. Wenn man wie ich einen L-Winkel fest am Body hat, dann ist die Nutzung der Buchse extrem fummelig. Warum kann man die nicht wieder auf die Vorderseite machen wie bei der 5D4? Bei der R5 gehts ja auch! Und warum zum Teufel hat man beim Wechsel auf das R-System nicht endlich mal auf einheitliche Stecker gesetzt?
  • Frei belegbaren Tasten: Man kann zwar alles umprogrammieren, muss dazu aber immer vorhandene Funktionen überschreiben. So 2-3 komplett frei belegbare Tasten ohne Standardbelegung wären cool gewesen.
  • Joystick am Batteriegriff: Der Canon-Ingenieur, der die Position festgelegt hat, muss daumenamputiert sein. Anders ist das nicht zu erklären. Das Ding ist so kaum zu bedienen, ohne sich selbst weh zu tun. Das es offensichtlich bei Canon auch noch Leute mit normalen Daumen gibt zeit die R3, da liegt alles genau da wo es auch bei der R5/6 sein sollte!
  • Die Stabilität des Display-Gelenks lässt einen hin und wieder zweifeln. Irgendwie wacckelt das gerne wie nen Entenarsch. Andererseits hats bisher aber gehalten.
  • Das Sucherokular ist fest verbaut und nicht mehr abnehmbar wie bei den DSLRs. Gut gegen versehentliches Verlieren. Schlecht, wenn man das Okular mal putzen muss. Man kommt deutlich schlechter ran als früher.
  • Serienbildgeschwindigkeit bei rein elektronischem Verschluss: 20 Bilder pro Sekunde sind ja cool, wenn man sie braucht. Oft braucht man sie aber nicht, dafür aber den elektronischen Verschluss! Hier wären weitere Auswahlmöglichkeiten mit weniger Bildern pro Sekunde wünschenswert. Zumal das nur ne reine Softwareoption ist! Dann auch gerne mit 14Bit Farbtiefe anstatt der reduzierten 12 Bit bei Nutzung des elektronischen Verschlusses.
  • MF-Schärfeindikatoren: Warum bekomme ich bei RF-Objektiven im MF-Modus einen wunderbaren zweiten Schärfeindikator am Fokuspunkt eingeblendet, bei anderen manuellen Objektiven aber nicht? Der AF-Punkt sitzt in der Kamera, die Schärfedetektierung auch. Muss doch gehen!
  • Keine Konfiguration der Kamera bzw. der Custom-Menüs (MyMenu) via Computersoftware möglich. Die Einstellmöglichkeiten der R-Modelle sind gigantisch. Dementsprechend umfangreich sind auch die Menüs. Sich damit eigene Custom-Menüs zusammenzustellen sind nervige Scroll- und Klickorgien. Hier wäre eine elegante Auswahlmöglichkeit am Rechner sehr wünschenswert. Zumal man dort auch gleich noch längere relevante Hinweise oder Anleitungs-/FAQ-Links mit einbinden könnte.
  • Keine Sicherung der Kamerakonfiguration auf dem Computer möglich. Bei der Masse der Anpassungsmöglichkeiten wäre da eine Backupmöglichkeit sehr wünschenswert, falls man die Konfiguration mal neu aufspielen muss. Soll mittlerweile via SD-Karte gehen. War das wieder nur bei der R5?
  • Mitgelieferte Canon-Software: Bedienkonzept und Interfacedesign sind immer noch eine Katastrophe. Hier hat sich die letzten Jahre quasi fast nichts getan. DPP kann immer noch keinen Export von komprimierten TIFFs. EOS Utility kann immer noch nicht von beiden Karten alle Bilder in einem Aufwasch laden und dabei Doubletten vermeiden. Ach lassen wir das. Canon baut gute Kameras, aber Software können die IMHO einfach nicht.
Basstölpel im Sonnenuntergang. Eine der wenigen Situationen (Gegenlicht, wenig Kontrast, sehr viel Bewegung im gesamten Bild), wo der AF der R6 bei Nutzung des mechanischen Verschlusses an seine Grenzen gestoßen ist. Es war einfach kein sicheres Motivtracking mehr möglich. Nach Wechsel auf den rein elektronischen Verschluss klappte das Tracking dank wegfallender Dunkelphasen wieder bestens.

Und nu?

Das war jetzt viel Gejammere, aber zugegebenermaßen schon auf sehr hohem Niveau. Sicher gibt es einige Verbesserungspunkte, aber im Ganzen ist Canon mit der R6 (und R5) echt ein grandioser Wurf gelungen. Mir macht das Fotografieren damit nach ca. 50.000 Bildern (ohne die Zeitraffer) immer noch viel Spaß.

Würde ich sie heute wieder kaufen? Eher nicht. Warum? Naja, die R6 Mark II als direkter Nachfolger ist mittlerweile am Markt und kann manches bisschen besser als die R6. Die logische Konsequenz wäre da natürlich gleich zur R6 Mark II zu greifen.

Also dann zur R6 Mark II wechseln? Eher auch nicht. Ich habe in den letzten beiden Jahren wieder vermehrt Wildlife fotografieren können. Wenn ich sehe, wo ich da an Grenzen stoße, helfen mir die Neuerung der Mark II nicht unbedingt weiter. Wenn ich aktuell wechseln würde, dann eher zur R3. Der fehlen einige der oben genannten Kritikpunkte, was mir sehr entgegen käme. Schon, dass man die Kamera im Quer- und Hochformat wirklich 1:1 identisch bedienen kann wäre für mich ein Segen. Dazu der nochmal verbesserte AF mit dem verbesserten Bedienkonzept (Touch-Button und Eye Control AF). Deutlich besserer Sucher, 14Bit auch bei rein elektronischem Verschluss, 30 Bilder/s, … Noch hält mich die Vernunft vom Wechsel ab. Aber mal sehen, ist ja bald wieder Weihnachten…

2,5 Jahre mit der EOS R6 – ein Fazit
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